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Sarah. lächelnd, vor einem weißen Hintergrund.

Interview mit Sarah

SARAH, 21 JAHRE

Hallo Sarah, ich freue mich, dass du dich bereit erklärt hast, von deinen Erfahrungen in der Ausbildung zu berichten, darüber, wie du den Berufsabschluss geschafft hast unter den Bedingungen deiner Sehbeeinträchtigung und ausgeprägten Legasthenie.

Vielleicht sollte ich noch vorab erwähnen, dass du seit dem Kindergartenalter vom LFS unterstützt und beraten wirst. Eine lange Zeit, die jetzt zu Ende geht. 

Du hast dich nach dem Mittleren Schulabschluss für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einer Kindertagesstätte entschieden. Was ist dir von dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben und inwiefern hat die Erfahrung sich auf deine Berufsfindung ausgewirkt?

Zum einen, dass ich nach einer verlängerten Pause fragen musste, weil es sehr anstrengend für mich war. Aber auch, dass meine Seheinschränkung eigentlich nicht so aufgefallen ist, vor allem bei den Kindern: „Dann ist es halt so.“ Sie sind entspannt damit umgegangen, wenn ich ein bestimmtes Buch nicht vorlesen konnte. Ich brachte dann den nächsten Tag meine Lupe mit, das fanden die Kinder toll! Ich wollte meine Hilfsmittel nicht täglich im Rucksack haben, weil ich einen vollen Schulbus genutzt habe. Einige Kolleginnen hatten Bedenken wegen der Zerbrechlichkeit meiner Hilfsmittel und meinten auch, ich mute den Kindern zu viel zu.

Für mich hat sich bestätigt, dass ich die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistentin (SPA) machen möchte. Es hat mir den schweren Punkt genommen, dass es mit der Aufsichtspflicht nicht klappt.

Du hast als Schülerin gerne Kurse in Schleswig besucht, was hast du als Jugendliche mitgenommen?

Mir haben die Kurse Spaß gemacht, weil ich mich nicht jedes Mal neu erklären musste. Ich erinnere besonders Theaterspiel und Skilanglauf. Alles war auf meine Bedürfnisse angepasst. Was habe ich mitgenommen? Einmal Kontakte zu anderen Jugendlichen und bei den Berufsorientierungskursen, wie ich mein Sehen in den Bewerbungsgesprächen erklären kann.

Nach dem FSJ bist du an eine berufsbildende Schule gewechselt, um die Ausbildung zur SPA zu machen. Wie wurden deine Bedarfe berücksichtigt?

Wenn ich Lehrer hatte, die vorbereitet waren, konnte ich normal mitarbeiten. Sonst habe ich meine Mitschüler gefragt oder den Lehrer angesprochen. Schwierig war für mich, wenn im Unterrichtsgespräch ein Tafelbild entwickelt wurde.

Vor der Ausbildung ging es darum, wie mein Arbeitsplatz in der Schule ausgestattet sein sollte. Das LFS hat mich darin unterstützt, Hilfsmittel zu erproben und bei der Eingliederungshilfe zu beantragen. Ich habe ein Notebook, ein großes Tablet, einen Scannerdrucker und eine spezielle Vorlese- und Schreibsoftware bekommen.

Damit konnte ich gut arbeiten:

Bei längeren Texten die Vorlesefunktion, dann das Rechtschreibprogramm. Die Schreibsoftware hat mir Wortvorschläge gemacht. Ich habe mir zur Absicherung einzelne Wörter vorlesen lassen.

Welche Nachteilsausgleiche waren für dich besonders wichtig in der Abschlussprüfung?

Der Sitzplatz nach Wahl, dass ich am PC schreiben durfte und die Aufgaben alle digital bekommen habe. Die Vorlagen waren angepasst; ich brauche die Schrift Verdana und einen erweiterten Zeilenabstand. So konnte ich sie lesen und auch vorlesen lassen. Bei längeren Lesetexten und beim Schreiben von Texten war die Zeitzugabe wichtig. Ich brauchte mehr Zeit, um Bilder zu erfassen und den Sinn der Fachtexte beim Vorlesen der technischen Stimme zu verstehen. Meine Rechtschreibleistung wurde geringer gewichtet.

Du hast vielfältige Erfahrungen in deinen Berufspraktika gemacht. Nach dem Abschluss hast du dich beworben. In Bezug auf dein Sehen: Was war dir wichtig bei der Auswahl der Einrichtung?

Mir war wichtig, dass es eine neuere Einrichtung ist, weil dort jüngere Menschen arbeiten, die offener sind, mit mir als Kollegin mit einer Beeinträchtigung zusammenzuarbeiten. Und die frisch aus der Ausbildung kommen, wo Inklusion mehr ein Thema ist.

Persönlich war mir wichtig, dass der Arbeitsweg nicht länger als 30 Minuten ist und ich eine gute Anbindung mit dem ÖPNV habe. Dämmerung und Dunkelheit sind für mich anstrengend, weil ich dann schlechter sehen kann. Eine Dorf-Kita kam nicht in Frage.

Nun bist du Mitarbeiterin einer Kita. Wie geht dein Arbeitgeber mit deinem Schwerbehindertenstatus um und wie hast du das Thema in der Einrichtung eingebracht?

Mein Arbeitgeber ist die Gemeinde und die geht entspannt damit um. Ich musste den Schweregrad meiner Behinderung nachweisen. Dafür habe ich ja meinen Schwerbehindertenausweis. Nun bekomme ich mehr Urlaubstage. Bei der Bewerbung in der Kita habe ich direkt davon berichtet und meinen Kollegen habe ich es zum Teil erzählt.

Wir hatten Winterfest im November. Die Kinder wissen von meiner Einschränkung. Wir haben ihnen erklärt, dass ich im Dunkeln noch schlechter gucken kann und wir deswegen mehr Lichter aufstellen. Die Eltern wussten es auch, alle haben auf mich geachtet.

Hast du Pläne für die Zukunft?

Ich überlege, später die Erzieherausbildung zu machen. Jetzt richte ich aber erst einmal meine erste eigene Wohnung ein.


Das Interview initiierte die Sonderpädagogin, die Sarah im Übergang Schule – Beruf und während der gesamten Ausbildungszeit begleitet hat. Es wurde im Rahmen des Abschlusses der Unterstützung und Beratung durch das LFS Anfang 2023 geführt.

Wir bedanken uns bei Sarah für das Gespräch!



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